Hattenheim im Rheingau, 17 November 2016

BREXIT – notwendige Folge eines Europa à la carte, Anfang vom Ende oder Chance zum Neubeginn?

Weingut Georg-Müller–Stiftung, Hattenheim im Rheingau

 

Der Brexit und die möglichen Folgen des Ausstiegs Großbritanniens aus der Europäischen Union waren bei diesem ersten Treffen der deutschen Sektion des ERA Fördervereins Anlass für eine lebhafte Debatte über den Zustand Europas und der europäischen Idee zu diskutieren. Die vom Koordinator der deutschen Sektion des Fördervereins Rechtsanwalt Prof. Dr. Ulrich Rommelfanger initiierte und vorbereitete Veranstaltung brachte folgende Diskutanten aus Politik und Praxis an einem Tisch zusammen:

  • das Mitglied des Europäischen Parlaments Michael Gahler, Mitglied des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten, Brüssel/Groß-Gerau
  • den hessischen Kultusminister und Professor für Völker- und Europarecht Dr. R. Alexander Lorz ,Wiesbaden
  • den Leiter des Referats „Regulatory Analysis“ der Deutschen Börse Dr. Torsten Schaper, Frankfurt am Main

 

Die Diskussion wurde moderiert vom Direktor der Europäischen Rechtsakademie Dr. Wolfgang Heusel. An der Veranstaltung nahmen 34 Gäste teil, zum überwiegenden Teil Rechtspraktiker aus Anwaltschaft, Justiz, Verwaltung und Wissenschaft.

 

Der in der Geschichte der EU einmalige Vorgang der Austrittsentscheidung eines Mitgliedstaats warf zahlreiche Fragen auf, die in der Diskussion zur Sprache kamen.
In Bezug auf die noch ausstehende Notifizierung der Austrittsentscheidung nach Artikel 50 EUV, die in der Öffentlichkeit häufig irreführend als „Austrittsantrag“ bezeichnet wird, ist offen, ob diese Erklärung vor Abschluss der Verhandlungen über ein Austrittsabkommen nach Art. 50 Abs. 2 und vor Ablauf der zweijährigen Frist zurückgenommen werden kann. Diese Frage dürfte (unabhängig von den nicht diskutierten verfassungsrechtlichen Anforderungen im Vereinigten Königreich) im Verhältnis zur EU unionsrechtlich und damit in letzter Instanz vom EuGH zu entscheiden sein; ihre Beantwortung ist von strategischer Relevanz für die Austrittsverhandlungen.

 

Von großer Bedeutung für das künftige Verhältnis zu Großbritannien ist auch die Festlegung der Verhandlungsziele der Europäischen Union, bei der widerstreitende Aspekte wie die Vermeidung von Nachahmungsreizen und die Handelsinteressen der Mitgliedstaaten abgewogen werden müssen. Schließlich befasste sich die Diskussion mit den möglichen Ursachen der Austrittsentscheidung und dem in zahlreichen Mitgliedstaaten fühlbaren Unbehagen gegenüber einer als bürgerfern wahrgenommenen EU, deren Entscheidungen zunehmend als Fremdbestimmung empfunden werden. Der Erfolg populistischer Kräfte wurde sowohl auf diese europafeindlichen Affekte als auch auf die einseitige und selbstreferentielle Handhabung sozialer Medien zurückgeführt, wie sie zuletzt auch bei den Präsidentschaftswahlen in den USA deutlich wurde.

 

Zum Abschluss der Diskussion waren sich alle Podiumsteilnehmer einig, dass den Europakritikern erfolgreich nur mit einer positiven Botschaft entgegengetreten werden könne, während Verweise auf Gefahren und Risiken nur den Populisten in die Hände spielten. Zur Formulierung dieser positiven Botschaft seien alle Freunde Europas aufgefordert.

 

Die Gespräche klangen aus bei einem Glas Rotwein im Kunstkeller des Weinguts.